Verjährungsfrist beträgt drei Jahre – Aber wann beginnt sie genau?
Die Verjährungsfrist eines Schadenersatzanspruchs beginnt mit Kenntnis von Schaden und Schädiger zu laufen, wobei es auch eine Erkundigungsobliegenheit hinsichtlich des anspruchbegründenden Sachverhaltes gibt. Man darf also nicht einfach die Hände in den Schoß legen und völlig passiv warten, bis einem eine diesbezügliche Information – quasi von selbst – zugetragen wird. Die Kenntnis gemäß § 1489 ABGB muss den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten, in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt. Hat der Geschädigte als Laie keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Umstände, so beginnt die Verjährung nicht zu laufen.
Wann eine ausreichende Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen anzunehmen ist, hängt stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Die Verjährung der Arzthaftung beginnt nicht etwa bereits mit der vagen Vermutung und dem Kontakt zu einem Patientenanwalt.
Zum Sachverhalt
Die Klägerin hatte in einer Krankenanstalt eine Hüftoperation durchführen lassen. Die Operation verlief komplikationslos. Nach ihrer Entlassung erlitt sie am 06.07.2005 eine Luxation des operierten Hüftgelenks.
Die Klägerin machte in ihrer Klage vom 08.02.2011 die mangelhafte Aufklärung seitens der Krankenanstalt hinsichtlich der Risiken der konkreten Operation, Fehlbehandlung und mangelhafte Nachsorge geltend. Die Behandlungen wären nicht lege artis durchgeführt worden. Bei der Nachoperation vom 27. 11. 2006 habe sich herausgestellt, dass es zu einer irreversiblen Schädigung des nervus gluteus superior gekommen sei.
Nach Scheitern eines Schlichtungsverfahrens begehrte die Klägerin gerichtlich Schadenersatz von der beklagten Krankenanstalt. Die Klage wurde mehr als drei Jahre nach der Behandlung bei Gericht eingebracht.
Die beklagte Krankenanstalt wendete im Zivilprozess ein, dass die Ansprüche verjährt seien. Um den Fall zu lösen mussten die Gerichte unter anderem klären, wann der Lauf der 3-jährigen Verjährungsfrist beginnt.
Das Erstgericht wies die Klage aufgrund der eingewendeten Verjährung ab. Gegen diesen Totalprozessverlust wehrte sich die Klägerin mit einer Berufung. Das Oberlandesgericht Innsbruck ändere die Entscheidung diametral ab und verwies die Rechtssache zurück in die erste Instanz. Gegen diese Entscheidung erhob die beklagte Krankenanstalt außerordentliche Revision, so dass der Oberste Gerichtshof (OGH) über diese Frage verbindlich zu entscheiden hatte:
Keine Verjährung
Der OGH sprach aus, dass die Verjährungsfrist nach § 1489 Satz 1 ABGB erst dann ausgelöst wird, wenn die Geschädigte von allen erforderlichen haftungsauslösenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Es müsse Kenntnis vom kausalen Zusammenhang zwischen Schaden und schadensverursachendem Verhalten des Schädigers bestehen. Laut OGH reicht für den Beginn der Frist die bloße Vermutung der Klägerin, die behandelnden Ärzte könnten für ihren Schaden haften, eben nicht aus. Auch der Kontakt zum Patientenanwalt löst die Frist nicht aus.
Die Verjährungsfrist beginnt folglich erst zu laufen, wenn es der Klägerin ohne nennenswerte Mühe möglich ist, Kenntnis vom Zusammenhang zwischen Schaden und Schädiger zu erlangen. Jedoch würde es die Erkundigungsobliegenheit der Klägerin überspannen, extra ein eigenes (Privat-)Gutachten dafür einzuholen.
Nach Ansicht des OGH war der Klägerin nicht anzulasten, dass sie sich zunächst an einen Patientenanwalt gewandt und sodann das im Schlichtungsverfahren eingeholte Gutachten abgewartet hatte. Zusätzlich ist laut OGH die Verjährungshemmung gemäß § 58a Ärztegesetz zu beachten, was ebenfalls dazu führte, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch keine Verjährung eingetreten war.
Oberster Gerichtshof 24.02.2015, 5 Ob 22/15v
Hinweis
Geschädigte Personen und potentiell anspruchsberechtigte Personen sind herzlich eingeladen, zeitnah unsere Rechtsanwaltskanzlei zu kontaktieren und so unter unserer Anleitung zielführend Beweise zu sichern und zudem die noch fern scheinende Verjährung und damit den völligen Anspruchsverlust durch rechtzeitige rechtsanwaltliche Handlungen zu vermeiden.